Symbolbild. Bildnachweis: Who is Danny – stock.adobe.com

Künstliche Intelligenz (KI) zur Bildauswertung des Augenhintergrundes kann den Praxisalltag von Augenärztinnen und -ärzten erleichtern. Befundungen sind effizienter und die Behandlung kann schneller beginnen. Allerdings gibt es in der praktischen Umsetzung oft noch Stolpersteine. Wo diese liegen und welche möglichen zukünftigen Anwendungsbereiche es geben könnte, erläuterte Dr. Peter Heinz auf einer Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge.

„Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird in der Augenheilkunde schon seit längerem als Möglichkeit gehandelt, den Ärzte- und Fachkräftemangel sowie die steigende Zahl an Augenerkrankungen abzufedern“, erklärte Heinz, Vorstandsmitglied der Stiftung Auge der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG). Allerdings müsse man die aktuellen technischen Möglichkeiten im Gesamtkontext richtig einordnen. Realistischerweise sei man  von einer „echten KI“ noch weit entfernt. Es stünden bisher lediglich mehr oder weniger gute Auswertungsalgorithmen für dezidiert definiert krankhafte Veränderungen des Auges zur Verfügung, also bei Weitem noch nicht die „Eier legende Wollmichsau“.

Aktuell biete sich vor allem die Verknüpfung von KI mit bildgebenden Verfahren wie der digitalen Fotografie, der Optischen Kohärenztomografie (OCT) oder der Heidelberger Retina-Tomographie (HRT) an. Eine KI könne deren Aufnahmen mithilfe eines Algorithmus auswerten und einen ersten Befund stellen. „Durch diese Arbeitserleichterung können die Ärztinnen und Ärzte schneller und effizienter zur Behandlung übergehen. Mithilfe eines Vergleichs mit Vorbefunden durch die KI lässt sich die Therapie außerdem exakter abstimmen“, sagte Heinz. Das ärztliche Personal müsse den Befund der KI also nur noch überprüfen, anstatt ihn selbst zu erstellen.

KI als sinnvolle Ergänzung, nicht als Ersatz

Dass diese Überprüfung in der Praxis auch noch häufig notwendig sei, zeigten verschiedene Studien. So stellte etwa eine 2022 erschienene Publikation [1] zum KI-Screening auf diabetische Retinopathie fest, dass bei etwa 40 Prozent der Aufnahmen aufgrund mangelhafter Qualität keine Auswertung habe getroffen werden können oder diese Auswertung falsch gewesen sei. Zu einem ähnlichen Ergebnis kämen auch die fotografischen Reihenuntersuchungen von Menschen mit Diabetes durch den britischen National Health Service [2]. Dies sei besonders bei älteren Patientinnen und Patienten der Fall, da hier altersbedingte Oberflächenveränderungen und Linsentrübungen die Bildqualität beeinträchtigten. „In der Arztpraxis erweitern wir die Pupillen allerdings medikamentös, sodass man bessere Aufnahmen anfertigen kann“, so Heinz.

Ein weiteres Problem sei die Spezialisierung der KI auf ein bestimmtes Krankheitsbild. So würde eine auf diabetische Retinopathie ausgerichtete KI etwa andere Augenerkrankungen wie Tumore, Bluthochdruckveränderungen oder Sehnerv-Erkrankungen übersehen. „Die KI kann den geschulten ärztlichen Blick hier also unterstützen und erweitern, aber keinesfalls ersetzen“, erklärte Heinz.

Krankenkassen bezahlen noch nicht

Auch wenn die KI den augenärztlichen Praxisalltag bereits effizienter gestalten könnte, gebe es oft keine Möglichkeiten, diesen Einsatz abzurechnen. In der Gebührenordnung für die gesetzlich Krankenversicherten, dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) gebe es derzeit noch keine Abrechnungsgrundlagen für ein digitales Foto des Augenhintergrundes oder der vorderen Augenabschnitte. Auch der Einsatz von OCT sei nur für wenige Indikationen vorgesehen. Dies erschwere den zeitnahen Einsatz sinnvoller KI-Verfahren in der Regelversorgung.

Dennoch ist Heinz vom Einsatz der KI-Verfahren in der Augenheilkunde überzeugt: „Die Anwendung durch Experten ist sinnvoll und wird nach Anpassen der Gebührenordnung in den Augenarztpraxen Einzug halten.“ Zugleich warnte er: „Isoliert durch Nicht-Augenärztinnen und Nicht-Augenärzte angewendet, bestehen Gefahren von Fehlbefunden und Fehlinterpretationen, die möglicherweise mehr Schaden als Nutzen zur Folge haben.“ Künstliche Intelligenz werde den Menschen nicht wirklich ersetzen, ihn aber hoffentlich in seiner Arbeit unterstützen können.

Referenzen:

1.         Die Ophthalmologie, Einsatz von künstlicher Intelligenz im Screening auf diabetische Retinopathie an einer diabetologischen Schwerpunktklinik, 01.2022: https://link.springer.com/article/10.1007/s00347-021-01556-5

2.         National Health Service, Diabetic eye screening (DES) programme: https://www.gov.uk/topic/population-screening-programmes/diabetic-eye

Quelle: Online-Pressekonferenz der Stiftung Auge am 24.05.2023